Der österreichische Exilautor Stefan Zweig schrieb die "Schachnovelle" zwischen 1938 und 1941, als er sich in Brasilien im Exil befand. Auf gut 100 Seiten liefert er ein literarisch grundsolides Werk ab, das unter anderem einen kritischen Blick auf die Methoden der Gestapo wirft.
Nicht nur im Titel kommt die "Novelle" vor, sondern auch vom formalen Gesichtspunkt aus betrachtet, macht die Schachnovelle ihrer literarischen Gattung alle Ehre, denn Zweig verarbeitet nahezu alle formalen und inhaltlichen Kriterien mustergültig. So ist beispielsweise die typische objektive Erzählhaltung, die in einer geschlossenen Form auf eine direkte Konfliktverarbeitung abzielt minutiös umgesetzt worden, genauso wie auch die Tatsache, dass in Novellen oft schicksalshafte Ereignisse behandelt werden.
Typisches Werk der Exilliteratur
Doch die Schachnovelle gibt nicht nur vom formalen Standpunkt aus betrachtet einiges her, sondern auch inhaltlich ist Zweig's Erzählung durchaus unterhaltsam. Er verflechtet geschickt die Rahmenhandlung der Schiffsreise mit der Vergangenheit von Dr. B, welche der eigentliche Kern des Werks darstellt. Dabei werden, wie das typisch ist für die Autoren der
Exilliteratur, die Nationalsozialisten und ihre Methoden kritisiert. In der Schachnovelle ist der zweite Weltkrieg zwar nicht das zentrale Thema, aber trotzdem ist eine unterschwellige, aber deswegen nicht minder starke Anklage an die Nazis zu erkennen.
Schach steht im Zentrum - ohne dass Zweig Ahnung davon hat Das eigentliche Hauptthema der Erzählung ist das Schachspiel. Interessant daran ist, dass Stefan Zweig selber nur sehr wenig Ahnung vom Schachspiel hat, dieses Element aber dennoch zum Zentrum seiner Erzählung gemacht hat. Dass das schwarzweisse Brettspiel mit den 64 Feldern nicht zu den Kerngebieten der Fachkompetenz des Autors gehört, ist auch daran zu erkennen, dass er beispielsweise schreibt, dass Czentovic nicht in der Lage sei, eine Partie blind zu spielen, was völlig unrealistisch ist für einen Schachweltmeister. Dies alles stört den Leser aber überhaupt nicht, denn vor allem die detaillierte und sehr anschauliche Beschreibung der Vergangenheit des Dr. B zieht den Leser sofort in ihren Bann. Die Umstände in der Isolationszelle, das Nichts, das Dr. B beinahe in den Wahnsinn treibt, wird von Zweig sehr schön beschrieben, genauso wie die Entwicklung seiner Schachvergiftung.
Starke Kontraste
Im gesamten Werk fällt die fast schon primitive Reduktion auf Gut und Böse - oder Schwarz und Weiss im Schachspiel - auf. Alles was mit Gewalt oder Aggressivität in Zusammenhang gebracht werden kann, egal aus welchem Grund auch immer, wird von Zweig sehr negativ dargestellt. So beispielsweise die beiden Hauptcharaktere Czentovic und McConnor, aber auch Dr. B, der ansonsten als nett und zuvorkommend beschrieben wird, erhält sehr negative Attribute, als sein Verhalten während der Schachpartie gegen Czentovic wieder Symptome der Manie aufwies.
Alles in allem ist die Schachnovelle ein gutes und interessantes Werk, welches aber zum Interpretieren und Analysieren vergleichsweise wenig hergibt. Dies ist aber teilweise auch durch die literarische Gattung der Novelle bedingt, die oft in der
geschlossenen Form angewendet wird - ein ideales Werk für einen verregneten Sonntagnachmittag.
(fba)
Titel: Schachnovelle
Autor: Stefan Zweig
Seiten: 110
Erschienen: 1942
Verlag: Fischer Verlag
ISBN-10: 3596215226
ISBN-13: 978-3596215225
Bewertung: Labels: Dr. B, Mirko Czentovic, Rezension, Schachnovelle, Stefan Zweig