„Schöne neue Welt“, so der Titel des Werks in dem Autor Aldous Huxley in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine Zukunftsvision skizzierte, die in gewissen Bereichen erstaunlich nah an der heutigen Realität liegt.
In der schönen, neuen Welt werden die Menschen in verschiedene Kasten eingeteilt und exakt ihren Aufgaben für eine stabile Gesellschaftsordnung entsprechend in Brutstätten gezüchtet und konditioniert. Familien gibt es keine mehr, die Menschen sind nur noch auf kurzfristigen Spass aus. Stetig wechselnde Sexualpartner gehören zur Tagesordnung, genauso wie der Alterungsprozess nicht mehr sichtbar ist, keine familiären Strukturen und keine Religion mehr vorhanden sind. Neben der Arbeit vergnügen sich die Bewohner mit Hilfe der Droge „Soma“, die dafür sorgt, dass sie stets glücklich sind.
Dieser Lebensstil funktioniert für die meisten Bewohner - nicht aber für Bernard Marx, ein Aussenseiter dieser neuartigen Gesellschaft. Er sieht das Ganze etwas kritischer und hinterfragt gewisse Dinge. Mit Lenina Crowne, einer Frau, mit der er sich immer mal wieder vergnügt, besucht er ein Reservat, in dem Eingeborene (Menschen, die noch in Familienstrukturen leben und die Religion kennen) wohnen. Dort treffen sie John, einen dieser Wilden, der sie bittet, mit seiner Mutter in die schöne, neue Welt kommen zu dürfen. Bernard erfüllt den beiden diesen Wunsch. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Weitsichtig und komplex
Es ist beeindruckend, wie durchdacht die Konstruktion dieser neuen Weltordnung von Aldous Huxley ist. Und auch die Argumentationen, die hinter dieser Konstruktion stecken, sind durchaus einleuchtend. Dies wird vor allem im Schlussteil eindrücklich aufgezeigt, in dem Mustapha Mond - einer der Kontrolleure der schönen, neuen Welt - Bernard, John und Helmholtz den Sinn hinter dem System erklärt.
Interessant finde ich vor allem die Ansätze, dass es keine Religion und keine familiären Sturkturen mehr gibt. Dies seien die häufigsten Gründe für Streitigkeiten und Kriege gewesen. In der schönen, neuen Welt leben die Menschen als eine grosse Gemeinschaft, in der jedoch niemand für den anderen besondere Gefühle wie Zuneigung oder gar Liebe empfindet. Dies deshalb, weil alle Menschen im Lauf ihrer Entwicklung so konditioniert wurden. Genauso werden die Menschen auch so konditioniert, dass sie die Natur nicht mögen, genauso wenig wie Bücher. Weitsichtig finde ich auch die Tatsache, dass Huxley bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts über die Möglichkeiten des Klonens und der beschleunigten Entwicklung von Menschen, die genau die gewünschten Eigenschaften und äusseren Merkmale aufweisen für ihre Kastenzugehörigkeit, nachgedacht hat.
Gegensätzliche Lebensformen
Huxley gelingt es, die Gegensätze der beiden völlig verschiedenen Lebensformen – die schöne, neue Welt und die normale, uns bekannte Welt mit Familien und Religion – sauber herauszuarbeiten. Dabei nimmt vor allem die Person des „Wilden“ John eine zentrale Rolle ein. Dieser kommt aus einem Reservat, wo er von seiner Mutter aufgezogen wurde, in die schöne, neue Welt, die er nur aus den Erzählungen seiner Mutter kennt. Mit vielem, was er dort antrifft, kann er nichts anfangen. So beispielsweise mit der Tatsache, dass es keine Liebe gibt, sondern sich alles nur um Spass und Sex dreht. Deswegen bezeichnet er beispielsweise seine grosse Liebe Lenina Crowne als Hure, weil sie sich ihm sofort an den Hals warf. Sie wiederum verstand die Welt nicht mehr, dass er sie daraufhin verstiess.
Diese enormen Kontraste zeigt Huxley sehr schön auf und regt damit den Leser zum Nachdenken an. Denn viele dieser Veränderungen sind nicht allzu weit entfernt von den jüngsten Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Man denke dabei an den stets geringer werdenden Einfluss der familiären Strukturen oder auch an die künstliche Befruchtung, bei der immer häufiger die Rede von "heran gezüchteten Superkindern" die Rede ist.
(fba)
Bibliografische Angaben:
Titel: Schöne neue Welt (engl. Brave New World)
Autor: Aldous Huxley
Seiten: 268
Erschienen:
Verlag: Fischer
ISBN-10: 3596905737
ISBN-13: 978-3596905737
Bewertung:
Labels: Aldous Huxley, Bernard Marx, Drogen, Helmholtz Watson, John, Lenina Corwne, Mustapha Mond, Rezension, Schöne neue Welt, Soma