Rezension: Woyzeck von Georg Büchner


„Woyzeck“ von Georg Büchner ist zwar nur eine sehr kurzes, aber dennoch bedeutendes Werk der deutschen Literaturgeschichte und ein sehr anschaulicher Vertreter der Literaturepoche des Vormärz.

Woyzeck ist ein Soldat aus ärmlichen Verhältnissen. Er führt eine Beziehung mit Marie und hat gemeinsam mit ihr ein uneheliches Kind. Damit er für seine beiden Frauen sorgen kann, nimmt er einen zusätzlichen Job an als „Versuchskaninchen“ in einem Experiment. Die Nebenwirkungen des Experiments sind stark und als Woyzeck dann auch noch mitbekommt, dass Marie ihn mit dem Tambourmajor betrügt, sieht er rot.

Wie einleitend erwähnt, ist „Woyzeck“ ein klassischer Vertreter des Vormärz. Hier die wichtigsten Argumente, die das verdeutlichen: Zentrales Element des Vormärz ist die Vermischung zwischen Kunst und Politik. Die Kunst und damit auch die Literatur dient nicht mehr nur der Unterhaltung, sondern sie will aufzeigen, wo die Probleme liegen. Zudem wird auch die nach wie vor vorherrschende Ständegesellschaft angeprangert und da sich die Literatur des Vormärz in erster Linie an die einfache Bevölkerung – also die grosse Masse der Gesellschaft – richtet, sind oftmals Personen aus dem dritten Stand die Helden der Erzählungen. Diese drei Kernelemente sind bei „Woyzeck“ erfüllt: Woyzeck, der arme Soldat, ist der Held der Geschichte und rennt vergeblich gegen die oberen Klassen der Ständegesellschaft an, die vor allem durch die Personen des Doktors, des Hauptmanns und des Tambourmajors verkörpert werden. Dadurch wird die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung als (stände)gesellschaftliches Problem zu einem der Hauptmotive des Werks.

Büchners Stilmittel
Interessant sind jedoch auch die Interpretation und die formalen Besonderheiten des Werks von Büchner, das erst viele Jahre nachdem es verfasst wurde, zu einem Erfolg wurde. Zur besseren Unterscheidung zwischen den sozial höher und tiefer gestellten Personen bedient sich Büchner eines einfachen Tricks. Die einfachen Leute lässt er im Dialekt sprechen, während beispielsweise der Doktor und der Hauptmann primär Standardsprache sprechen und zudem erst noch viele Fachausdrücke verwenden. Zusätzlich – vor allem um die Sympathien der Leser zu steuern – werden die einfachen Leute mit einem Namen versehen (Woyzeck, Marie, Karl ...), während die höher gestellten Personen lediglich Stereotypen sind und mit ihrem beruflichen Rang angesprochen werden (Doktor, Hauptmann, Tambourmajor). Weiter verwendet Büchner an vielen Stellen verschiedene rhetorische Figuren (Ellipsen, Metaphern, Einschübe etc). Auf diese soll jedoch nicht näher eingegangen werden.

Wer ist schuld am Mord? - Drei Ansätze
Wichtiger erscheint mir eher die inhaltliche Interpretation der Schuldfrage. Wer trägt denn eigentlich die Schuld daran, dass Woyzeck Marie umgebracht hat? Drei Ansätze: Die offensichtlichste Erklärung ist die Eifersucht von Woyzeck auf den Tambourmajor, der etwas mit Marie am Laufen hat und sich keine Mühe gibt, dies zu verstecken. Der zweite Ansatz wäre, die Schuld den Auswirkungen des Experiments zu zu schieben, an dem Woyzeck teilgenommen hat. Durch die Mangelernährung der Erbsendiät beginnt Woyzeck zu fantasieren und hört Stimmen, die ihm etwas befehlen. Die dritte Variante – und das wäre dann die sozialkritischste und damit auch die typischste für den Vormärz – wäre der Druck und die Ausbeutung der Gesellschaft. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Woyzeck, der mehr arbeiten muss (und dabei vom Hauptmann und vom Doktor ausgenutzt wird), verliert durch diesen zusätzlichen Aufwand Marie an den Tambourmajor, der keine Sekunde zögert, Woyzeck Marie wegzuschnappen. Woyzeck ist in dieser Situation völlig machtlos und hat kein Mittel, um sich gegen die Zwänge der Ständegesellschaft zur Wehr zu setzen. Sein Ausweg: Er ermordet Marie, um aus dem System auszubrechen. (fba)


Bibliografische Angaben:

Titel: Woyzeck
Autor: Georg Büchner
Seiten: 176
Erschienen: 1879
Verlag: Suhrkamp
ISBN-10: 3518188941
ISBN-13:978-3518188941
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