Der Altphilologe Raimund Gregorius traf eines morgens per Zufall eine Portugiesin auf seinem Arbeitsweg. Sie stand auf einer Brücke und er hatte das Gefühl, dass sie sich runter stürzen wolle. Er hielt sie davon ab und kam mit ihr ins Gespräch. Es war dies ein Schlüsselerlebnis in seinem Leben, denn er war sofort fasziniert von dieser Frau und vor allem auch von der Portugiesischen Sprache. So liess er alles stehen und liegen, lief mitten aus dem Unterricht heraus und kaufte sich mehrere portugiesische Bücher. Eines davon war von Amadeu Inacio de Prado. Er war gefesselt von diesem Buch und die Texte darin berührten ihn so sehr, dass er sich noch am selben Abend in den Zug nach Lissabon setzte, um diesen Mann zu finden.
In Lissabon angekommen, erkannte er, dass Prado bereits tot war. Er machte sich aber trotzdem auf die Suche nach Spuren aus dessen Leben und dank dem autobiografischen Buch von Prado wurde er in Lissabon fündig. Folgende Geschichte hat sich bei seinen Nachforschungen ergeben:
Amadeu Inacio de Prado war der Sohn eines Portugiesischen Richters gewesen, der an der Bechterew Krankheit litt. Durch diese Krankheit und die daraus resultierende Strenge des Vaters, war das Verhältnis zwischen den beiden schwierig, obwohl sie eigentlich eine grosse Bewunderung für einander hegten.
Prado war schon immer ein sehr intelligenter Bursche gewesen, der seine Lehrer mit seiner Klugheit das Fürchten lernte. Da sein Vater wollte, dass er Arzt wurde, folgte er dessen Wunsch und studierte zusammen mit seinem besten Freund Jorge O'Kelly Medizin. Er wurde ein sehr guter Arzt und war stets bei all seinen Patienten beliebt. Seine Schwester Adriana vergötterte ihn gar, denn er hatte ihr einmal das Leben gerettet, als sie beinahe erstickt wäre. Sie arbeitete in seiner Praxis und half ihm, wo sie nur konnte. Im Leben von Prado gab es eigentlich nur eine Frau, Mario Joao Flores. Mit ihr konnte er über alles reden, bei ihr fühlte er sich wohl und doch war er nie mit ihr zusammen. Dies deshalb, da sie aus einfachem Hause kam und nicht in seine adelige Familie passte. So heiratete er Fatima, obwohl er mit ihr nie wirklich glücklich war. Sie starb schon früh und in der Folge lebte er alleine.
Eines Tages änderte sich das Leben von Prado für immer. Während der Portugiesischen Diktatur wurde ein besonders berüchtigter Scherge des Regimes, der Schlächter von Lissabon, vor der Tür von Prados Praxis bei einem Angriff verletzt. Dank der Hilfe von Prado, überlebte er den Angriff. Mit dieser Tat hatte sich Prado jedoch den Goodwill seiner Kundschaft verspielt, die ihm in der Folge mit grossem Misstrauen entgegentrat. Aus diesem Grund entschloss Prado, sich dem Widerstand anzuschliessen. Zusammen mit Jorge arbeitete er unter der Leitung von Joao Eca für den Widerstand. Er war dort dank seiner Intelligenz und seinem grossen Kenntnis des Portugiesischen Eisenbahnnetzes sehr beliebt, auch wenn er eigentlich von seiner Art her nicht für den Widerstand geschaffen war.
Die enge Freundschaft die O'Kelly und Prado verband, bekam jäh Risse, als Estefania Espinhosa auftauchte. O'Kelly verliebte sich Hals über Kopf in die wunderschöne und blitzgescheite junge Frau, doch diese interessierte sich mehr für Prado. Dessen Leben wurde durch das Auftauchen von Espinhosa ebenfalls völlig auf den Kopf gestellt, doch er wollte nichts mit ihr anfangen aus Rücksicht auf O'Kelly. Dieser bekam natürlich davon Wind und war aus diesem Grund sogar bereit, Estefania umzubringen. In seinem Vorhaben bestärkte ihn auch die Tatsache, dass die Schergen den Widerstand beinahe entdeckt hatten und da Estefania dank ihrem phänomenalen Gedächtnis der eigentliche Kopf des Widerstands war, hätte sie den Schergen zu viel verraten können. Prado wusste von O'Kelly Vorhaben und brachte Espinhosa nach Spanien. In der Folge war jedoch die Freundschaft zwischen den beiden Männern zerbrochen und auch sonst schien der Lebenswille von Prado erloschen. Kurze Zeit darauf verstarb er auf offener Strasse aufgrund eines geplatzten Aneurysma im Kopf.
Gregorius kam zu all diesen Informationen, da er sie einerseits im Buch von Prado fand und andererseits weil er O'Kelly, Adriana, Joao Eca, Maria Joao Flores und Estafania Espinhosa in Lissabon und Salamanca aufsuchen konnte. Zusätzlich fand er so noch weitere Schriftstücke und Briefe von Prado, dessen Vater und Maria Joao. So entstand Schritt für Schritt die oben beschriebene Geschichte.
Immer wieder plagte Gregorius jedoch in diesen fünf Wochen, die er in Lissabon verbrachte das Heimweh nach Bern und der Schweiz. Dennoch, als er am Ende wieder zurück kam, war ihm seine frühere Heimat fremd geworden. Er konnte nichts mehr damit anfangen, denn in diesen fünf Wochen hatte er nicht nur die Geschichte von Prado erforscht, sondern er hatte auch vieles über sich und sein Leben gelernt, das seine Wahrnehmung und Auffassung grundlegend verändert hatte.
Charakteranalyse
Raimund Gregorius: War 57 Jahre alt und lebte in Bern. Er war Altphilologe und arbeitete an einem Gymnasium in Bern, obwohl er rein von seiner Fachkompetenz her betrachtet auch wesentlich höhere Aufgaben hätte übernehmen können. Er war während fünf Jahren mit Florence, einer ehemaligen Schülerin, verheiratet gewesen, lebte nun aber alleine. In der Schule wurde er von allen geschätzt, nicht nur wegen seines grossen Wissens, sondern auch wegen seiner Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Sein bester Freund war der Grieche Doxiades, mit dem er stets über alles Reden konnte. Abgesehen von seinen überdurchschnittlichen Sprachfähigkeiten war er auch ein begnadeter Schachspieler. Durch seine hatte Arbeit sich auch ein beachtliches Vermögen angehäuft, von dem er aber kaum Gebrauch machte. Er hielt nichts von Luxus und zur Schau stellen von Reichtum, er lebte sehr bescheiden. Aufgrund seines Alters merkte er auch, dass er nicht mehr gesund war. Er litt immer wieder an Schwindelanfällen und hatte teilweise das Gefühl, dass er Teile seines phänomenalen Gedächtnisses verlor.
Amadeu Inacio de Prado: War ein sehr begnadeter und beliebter Arzt, der in Lissabon praktizierte. Er war bereits in jungen Jahren sehr intelligent und allen anderen einen Schritt voraus. Doch damit er "Ganz" war, brauchte er Jorge O'Kelly, seinen besten Freund. Dieser war das genaue Gegenteil von Amadeu und trotzdem verband die beiden eine tiefe Freundschaft. Immer wieder quälte ihn der Gedanke, dass er nur wegen seinem Vater Arzt geworden war und er glaubte, nicht den richtigen Beruf gewählt zu haben. Denn sein eigentliches Hobby war die Sprache. Er las alles was er nur konnte und begann bald einmal zu schreiben. Schreiben war für ihn das höchste aller Gefühle und die Poesie war für ihn eine Form der Therapie.
Obwohl er mit Fatima verheiratet war, kannte ihn Maria Joao Flores am besten. Er kannte und schätzte sie seit seiner Schulzeit und hatte bis zu seinem Lebensende engen Kontakt zu ihr. Die Freundschaft mit O'Kelly allerdings zerbrach an Estefania Espinhosa, der schönen Frau aus dem Widerstand. Amadeu hatte sie geliebt und war verrückt nach ihr. Dass sie ihn abwies, lag daran, dass sie erkannte, dass seine Begierde nicht ihr galt, sondern dem Leben, das er in ihr verkörpert sah. Von dieser Abweisung erholte sich Prado nicht mehr. Er wurde fahrig, alterte schnell und seine Lebensgeister erloschen. Dennoch schrieb er immer weiter und nach seinem Tod veröffentlichte seine Schwester Adriana einen Grossteil seiner Texte in einem Buch. Dieses Werk fand Gregorius Jahre später und machte sich deshalb auf die Suche nach Prado.
(fba)
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