Rezension: Darum von Daniel Glattauer


Der Roman "Darum" des österreichischen Erfolgsautoren Daniel Glattauer wartet mit einem unkonventionellen, aber deswegen nicht minder spannenden und mit Überraschungen gespickten Plot auf, in dem ein Mörder für seine Tat verurteilt werden, die Justiz ihn aber unbedingt freisprechen will.

Der 43-jährige Journalist der "Kulturwelt" Jan Haigerer erschiesst in einer Bar einen ihm unbekannten Mann. Daraufhin stellt er sich der Polizei und möchte, dass er für seine Tat verurteilt wird. Da er jedoch ein angesehener Bürger ist und niemand seiner Freunde und Arbeitskollegen ihm diesen Mord zutraut, versucht die Justiz Gründe und Erklärungen zu finden, um ihn zu entlasten. Haigerer will jedoch unbedingt lebenslänglich hinter Gitter kommen, ein Motiv will er aber nicht verraten. Er beginnt zu Lügen und tischt dem Gericht eine wirre Geschichte auf, die beweisen soll, dass er schwul war und aus Eiversucht den Mann, der sein Liebhaber gewesen sein soll, umgebracht hatte. Seine Geschichte wird jedoch unglaubwürdig, als plötzlich neue Zeugen vor Gericht auftauchen und ihn entlasten. 

Völlig neuer Ausgangspunkt
Daniel Glattauer wählte für seinen Kriminalroman "Darum" eine völlig neue und unerwartete Ausgangslage. Für einmal jagen nicht die Ermittler den Täter und versuchen ihn für seine Tat zu bestrafen, sondern der Täter versucht für seine Tat bestraft zu werden, während die Ermittler mit allen Mitteln seine Unschuld beweisen wollen. Anfangs war ich skeptisch ob dieser doch eher spezielle Plot überzeugen und für Spannung sorgen kann, doch ich wurde schnell eines besseren belehrt. Glattauer schafft ist mit seiner enormen Wortgewandtheit, seinen mit viel Liebe zum Detail gestalteten Erzählungen und den überraschenden Wendungen den Leser zu fesseln.



Mehrere spannende Grundsatzdiskussionen
Glattauers Erzählung ist jedoch nicht nur einfach ein Krimi, sondern beinhaltet meiner Meinung nach auch sehr viel Sozialkritik. Da Haigerer ein angesehener, bescheidener und erfolgreicher Mitbürger war, konnte sich niemand vorstellen, dass er der Täter war. Die Presse und die Justiz suchten nach Erklärungen und Beweisen für seine Unschuld, da sie ihn entweder persönlich kannten oder einfach nicht wollten, dass er verurteilt wurde. Es wurden die mildesten Richter auf den Fall angesetzt und Haigerer wurde trotz seines Geständnisses nie wie ein Mörder behandelt. Die Rolle der Justiz und vor allem auch die Rolle der Presse, insbesondere der Boulevardzeitungen, werden von Glattauer in ein sehr schlechtes Licht gerückt. Mona Midlansky, die Journalistin der "Abendpost", gab sich stets als enge Freundin von Haigerer aus und lockte die Leser mit Insiderinformationen, über die sie nicht verfügte. Ebenfalls war sie bekannt dafür, sich ihre Informationen mit fragwürdigen Mitteln zu ergattern. 
Wie gross ist also der Einfluss der Medien und welche Rolle sollten sie in einem solchen Prozess einnehmen? Wie neutral ist die Justiz wirklich? Beeinflusst der bisherige Lebenslauf des angeklagten das Urteilsvermögen? Diese und noch viele weitere Fragen wirft Glattauer in die Runde und regt so seine Leser zum Nachdenken an.

Darum als Motiv und die etwas fragwürdige Moral
Am Ende stellt sich heraus, dass Haigerer seinen Mord quasi aus Recherchezwecken begangen hatte. Viele Verlage lehnten sein Romanmanuskript ab, weil es zu weit hergeholt und nicht erlebt sei. Haigerer wollte nun seine Romangeschichte selbst erleben, um sie dann nach seiner 20-jährigen Haftstrafe authentischer und wahrheitsgetreuer erzählen zu können. Darum hat er den Mord begangen. 
Dieses Motiv ist sehr speziell und auch ein wenig fragwürdig, doch aus meiner Sicht noch ein wenig fragwürdiger ist, ist die Tatsache, dass Glattauer seinen Mörder am Ende davonkommen lässt. Er gibt ihm quasi eine zweite Chance, was mich persönlich doch ein wenig überraschte. Vor allem weil die Person, die das ganze eingefädelt hat und damit für seine Freilassung sorgte die ehemalige Untersuchungsrichterin Helena Selenic war. Ein erneuter Seitenhieb gegen die Justiz?
Nichts desto trotz finde ich die Grundidee und auch die Umsetzung der Geschichte sehr gelungen. Gepaart mit der sprachlichen Leichtigkeit und dem Erzählgeschick von Glattauer kann ich "Darum" nur empfehlen.
(fba)

Bibliografische Angaben

Titel: Darum
Autor: Daniel Glattauer
Seiten: 320
Erschienen: 2003
Verlag: Goldmann
ISBN-10: 3442467616
ISBN-13: 978-3442467617
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